GOA-Texte:Bis zur großen Wüste

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Dies ist ein offizieller Text, der von GOA veröffentlicht wurde.
Eine Übersicht über alle von der GOA-Homepage gibt es im Artikel über GOA Texte.
Die jeweilige Originalversion findet sich auf der europäischen Communityseite von GOA.


"Du kannst kommen, Freund, aber setz deinen Fuß nicht auf die Erde, auf die Asche gefallen ist. Das verstehst du nicht, oder ? Ich mache es anders als du es getan hättest. Ich erwarte aber auch gar nicht von dir, dass du es verstehst und ich werde es auch nicht erklären, sei einfach da, wie ein Bruder."


Guerion sah seinem Freund zu, der mit finsterer Mine und gebücktem Rücken hin und her lief. Im Endeffekt wusste der Bretone nichts über diesen Mann, den er Freund nannte, aber die langen Tage, an denen sie Seite an Seite gekämpft hatten, hatten sie zusammengeschweißt. Salim schien es eilig zu haben, heim zu kehren und war glücklich wie nie zuvor. Ohne Unterlass sprach er von Geistern und wie es bei ihm zu Hause war, von seiner Familie. Trotz allem verstand Guerion, dass er nichts von diesem Sarazenen wusste.


"Hier, mein Freund, halt bitte diese Fackel. Ich bin noch nicht fertig und heute Abend scheint der Mond nur allzu schwach. Ich möchte, dass alles herrlich ist, so wie unser Leben es war. Es muss schön sein, verstehst du, damit sie kommen und sie in ihren Armen wiegen."


"Es wird ein schönes Baby sein, schön wie sein Vater. Und wenn es ein Mädchen wird, werde ich jeden Tag die Geister darum bitten, dass es die Augen seiner Mutter hat. Wenn du sie erst siehst, wirst du es verstehen, mein Freund, aber vergiss nicht, dass sie zu mir gehört. Vielleicht findest du ja auch eines Tages eine Frau, die dir schöne Kinder schenken wird. Es ist mein erstes, verstehst du, deswegen möchte ich dabei sein. Beeil dich also, sonst werden wir nie ankommen !"


Guerion hatte sich nie vorgestellt, eines Tages eine Familie zu haben und noch weniger hätte er gedacht, dass dieser Sarazene eine hätte. Sie kannten nur den Kampf und zeigten jeden Tag mehr Tötungseifer. Aber die Freude von Salim färbte auf ihn ab und so begleitete er seinen Freund mit strahlendem Gesicht.


"Du wirst sehen, mein Freund... das schönste aller Kinder, es wird das schönste von allen sein !"


Salim machte sich weiter daran zu schaffen, den Ort aufzuräumen. Er legte hierhin einige Steine und dorthin einige Kleidungsstücke, und auch etwas Nahrung.


"Ich werde dir helfen..."


"Oh, auf keinen Fall, mein Freund, das ist meine Sache. Dies sind die letzten Momente, die ich mit ihnen verbringe, und ich möchte diesen Augenblick nicht teilen. Ich möchte mit meinen Gefühlen allein sein, akzeptier dies bitte."


Guerion schlug seine Augen nieder, um den Sarazenen das Todeslager vorbereiten zu lassen.


"Hier wohnen wir, siehst du den Rauch in der Ferne ? Das ist mein Haus. Meine Frau wird mich sicherlich erwarten, mein Freund, sei also auf ein Festmahl gefasst ! Seit Monaten warte ich auf diesen Moment, schon viel zu lange."


Sein so strahlendes Gesicht wurde leichenblass, als die beiden Freunde endlich ankamen. Wenige Worte genügten, um ihnen zu verstehen zu geben, dass die Geburt des so sehnlichst erwarteten Kindes kein traumhaftes Ereignis gewesen war. Bei der Geburt hatte es Komplikationen gegeben, und anstelle ein neues Leben zu feiern, gab es nun zwei Tote zu beweinen.


"Hier habt ihr einige Lederdecken, sie werden euch beschützen, wenn ihr mit den Geistern die kalten Gegenden durchschreitet. Diese Steine bringst du als Geschenk den Ahnen mit, damit sie dich wie eine Königin in der Wüste begrüßen. Du wolltest, dass unser Kind unsere Heimat kennt. Hier ist ein bisschen Sand, den mein Vater mit sich in dieses Land gebracht hat, als er ankam. Und ein wenig Gold, damit die niederen Geister euch in Frieden lassen..."


Salim streichelte ein letztes Mal die Wange seiner Frau und seines Kindes. Beide waren heute Abend in den schönsten Stoff gehüllt, den er besaß. Langsam legte er auf ihre geschlossenen Augen ein Goldstück, bevor er sich wieder aufrichtete. Ohne ein Wort zu sagen, nahm er Guerion die Fackel aus der Hand und erhellte die Nacht mit den Flammen der Leichenstätte.


"Mögen die Geister euch bis zur großen Wüste begleiten.."


Wenn die Sarazenen von einer geliebten Person Abschied nehmen müssen, begraben sie die Leiche nicht, so wie es ein Anhänger des Lichts tun würde. Nachdem der Körper gewaschen und in kostbarste Stoffe gehüllt wurde, wird die Reise zur großen Wüste vorbereitet, in der sich die Seelen treffen. Geschenke werden mit auf den Weg gegeben, um die Reise zu erleichtern und damit das Leben in der anderen Welt herrlicher wird als das irdische.