GOA-Texte:Das Gesetz des Waldes

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Was wisst ihr Leute aus den Ebenen vom Gesetz des Waldes ? Ihr, die ihr ins Unendliche blicken könnt, ohne durch irgendetwas gestört zu werden, außer vielleicht einer alten Scheune oder einer einsamen uralten Pappel.

Fremde verweilen nicht lange hier. Sie bevorzugen die Sonne und den Wind in den Ebenen, das Gefühl von Freiheit, das die offenen Flächen vermitteln. Sie fühlen sich bedrängt und gefangen in diesen Orten, die nach vielerlei Ängsten riechen. Die Angst sich zu verlaufen, immer im Kreis zu laufen ohne entkommen zu können, ein Gefangener des Waldes zu bleiben. Der Wald verdeckt die Grenzen der Landschaft für die, die sie nicht kennen. Die Angst vor der Gefahr, die jeden Moment von irgendwoher hervor kriechen kann, hinter jedem Baum, Busch oder Dickicht. Wir werden nichts sehen, wenn wir nicht wissen, wie wir etwas erkennen können. Wir wissen nichts darüber, was unter dem Blätterdach verborgen sein könnte. Diese Welt ist vor jeglichem Einblick vollkommen verborgen. Ja, sie verängstigt sogar alle, die nicht wissen, wie sie ihre Zeichen lesen und ihre Geheimnisse entschlüsseln können.

Der Wald ist wie ein wilder Hund, der jeden Tag aufs Neue gezähmt werden muss. Er ist in Bewegung, dringt langsam in jeden Winkel vor, sobald du nur wegsiehst, und ist immer bereit, dir an die Kehle zu gehen. Er greift Pfade und Häuser an, geht auf Befestigungen los und versucht, alles mit seinem grünen Umhang zu bedecken. Mancher Ort, der von Menschen nicht mehr betreten wird, ist mit Büschen und Sträuchern überwuchert, deren Dornen eine feste Wand zu formen scheinen, die nur noch Ratten und Vögel durchdringen können. An diesen Orten, unter dem Dach der jahrtausende alten Bäume, ist die Nacht unendlich. Selbst die Sonnenstrahlen trauen sich nicht dieses Heiligtum, diese Zuflucht der Nacht zu betreten.

Unter dem Dach der Bäume, durchlöchert von dünnen Strahlen bunten Lichts, ist der Wald wie eine eurer Kathedralen. Eine Kathedrale der Dunkelheit, in der Schatten und Dunkelheit ungleichmäßig regieren. In der alte Götter Unterschlupf fanden, verjagt vom Licht und dessen Günstlingen. Es sind diese Orte, an denen nun Geister ihr Unwesen treiben, voller Hass und Boshaftigkeit, wo Druiden ihre uralten Kräfte ausüben, um Cernunnos Donn und andere zu ehren.

Oger, mit einer Haut so schwarz wie die Nacht, leben in den alten, nun zerfallenen Türmen. Sie beten und ehren ihre strenge Göttin, die Dunkle Mutter. Unbemerkt, habe ich diese Kreaturen oft beobachtet. Zwischen uns gibt es eine Blutschuld, die sie vor vielen Jahren auf sich nahmen. Es war im Verlauf einer ihrer Attacken, als mein Vater starb, während er mit all seiner Kraft Caer Ulwich verteidigte. Beim Anblick seines leblosen Körpers schwor ich, jeden noch in diesen Wäldern lebenden Oger zu töten. Da war ich noch jung und hatte noch nichts über das Gesetz des Waldes gelernt.

Ein brutales aber faires Gesetz, in dem nur die Starken überleben und die Schwachen dem Wald zum Fraß vorgeworfen werden. Ich übte natürlich Rache, eine sehr grausame sogar. Viele Oger sind durch meine Schläge gefallen, und ihre Schreie sind noch jetzt als Echo im Wald zu hören. Ich habe in ihrem Blut gebadet, machte Halsketten aus ihren Ohren und Ringe aus ihren Zähnen. Ich wurde grausam und unerbittlich. Wie dem auch sei - dadurch, dass ich gezwungen war, jede ihrer Bewegungen zu verfolgen, um einem einzelnen von ihnen die Kehle zu zerreißen oder einen Pfeil in den Rücken eines ihrer Jungen zu schießen, habe ich ihre Eigenheiten, ihren Alltag und ihre Bräuche kennen gelernt.

Unzählige Stunden habe ich damit verbracht, sie zu beobachten und gelernt, ihre Handlungen zu verstehen. Diese ständige Überwachung hat meinen Hass gedämpft, ihn irgendwie abgeschwächt, anstatt ihn zu verstärken. Manchmal, wenn ich sie von oben aus einem Baum heraus beobachte, stelle ich mir vor, wie ich als einer von ihnen lebe, ihre Freuden und Sorgen fühle. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht schwach, nur vielleicht ein wenig weiser als früher. Ich zögere niemals, einen Oger zu töten, aber ich jage sie auch nicht mehr so wie früher. Seht Ihr, mir ist bewusst geworden, dass sie uns sehr ähnlich sind. Auch sie kämpfen, um zu überleben, kämpfen, um nicht zu sterben und zu verschwinden, vom Wald verschluckt zu werden. Wir, die Bewohner des Waldes, stehen im ständigen Kampf mit ihm.

Denn er hat die unendliche Geduld eines Raubtieres.

Ich sagte Euch, dass der Wald wie ein Hund ist. Dass ihr ihm immer klar machen müsst, wer der Meister ist, andernfalls wird er euch irgendwann an die Kehle gehen. So lange wir unsere Peitschen krachen lassen, bleibt er dort, sitzend, knurrend und Zähne zeigend. Doch sobald wir den Fehler machen zu denken er sei gezähmt, wird er wie ein hungriger Wolf an unsere Kehle springen.

Gleichzeitig hat der Wald nicht nur schlechte Seiten, sondern er weiß auch, wie man beschützt, ebenso wie es ein Wachhund würde. Er wacht über seine Bewohner und gewährt ihnen Unterschlupf. Er beschützt uns vor Krankheit und Plagen. Er verhindert, dass Fremde unser Land übernehmen können, denn es gibt keinen Ort der leichter zu verteidigen ist als der, in dem man geboren ist. Es gibt zahlreiche Verstecke, und nach einem Angriff unter einem Busch zu verschwinden ist für uns so einfach wie das Atmen. Essen und Wasser steht für die, die sehen können, ausreichend zur Verfügung.

Das ist, was ich Euch über den Wald erzählen kann. Euch, der Ihr ihn nicht kennt und nur das Grün seiner Bäume seht. Wenn Ihr das nächste Mal durch den Campacorentin-Wald kommt und bequem auf Eurem Ross reitet, denkt an meine Worte. Und dankt dem Licht, dass Ihr auf der Straße seid und nicht im Herzen unserer Domäne.

Shai Al'Rahim, Jägerin im Campacorentin-Wald