GOA-Texte:Der Pfeil

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Fur Christelle

Er jubilierte. Die Beschwörung hatte perfekt funktioniert. Die Zauber, die er selber gewebt hatte, waren plötzlich ausgebrochen, während der gefangene Geist, der sie zusammenband und der durch den Zauber zerrissen war, vor lauter Schmerz schrie. Der Knall verjagte kurz die einbrechende Dunkelheit und es schien, als ob der Körper des Feindes sich im Sturm der Zauberkräfte auflösen würde. Der Kämpfer schwankte jetzt ; der Schock hatte ihn erschüttert und Teile seiner Rüstung hingen jämmerlich an ihm herab, da mehrere Lederriemen glatt durchgeschlagen worden waren.

Trotz allem ging er auf ihn zu. Erst ein unsicherer Schritt, dann ein anderer ; schließlich kniet er ein Bein auf den Boden. Er stützt sich auf sein Schild, um wieder aufzustehen ; noch ein Schritt und er bricht schließlich zusammen, in dem er in einem metallischen Durcheinander auf den Rücken fällt. Die Fäuste in die Hüften gestützt, während um seinen Kopf die durch seine gemischten Zauber gefangenen Geister stöhnen, beobachtet er den niedergeschmetterten Gegner eine Weile lang. Im Kreise des Hauses von Hel würde man seine Kräfte nicht mehr bezweifeln ! Sie lagen so falsch, die Alten, die behaupteten, dass er noch zu jung und zu wenig abgehärtet war, um sich an den Kämpfen in den Grenzgebieten zu beteiligen. Voller Stolz wusste er, dass sein guter Ruf unter den Hexenmeistern jetzt gesichert war und dass man fortan mit ihm rechnen müsste.

Die liegende Gestalt fing an, sich leicht zu bewegen und das Geräusch, das dabei entstand, riss ihn aus seinen Gedanken. Also war er nicht tot ? Die Widerstandsfähigkeit des Waffenmeisters beeindruckte ihn ; er näherte sich vorsichtig dem am Boden liegenden Körper. Er war bereit, noch ein Mal zu zaubern, um seinem Gegner den Rest zu geben. Erstaunt hielt er inne, als er dem Gesicht gewahr wurde, welches der zerbrochene Helm nicht mehr verhüllte.

Es war eine Frau.

Sie kam aus den entfernten Ländern des Orients. Er hatte eine solche Anmut und diese ungewöhnliche Gesichtsfarbe schon auf den Leibeigenen-Märkten von Vasudheim bewundern können. Diese hier trug bereits das Mal der Jahre ; ein paar Falten, die hier und da durch eine alte Narbe eingeschnitten wurden, durchliefen schon ihr Gesicht. Sie atmete schwer und das aus ihrem Mundwinkel sickernde Blut verriet den Ernst der Lage : Wahrscheinlich war ihre Brust zerschlagen. Trotz alledem starrte sie ihn mit ihren dunklen, tiefen Augen an. Sie schien friedlich und bereit, sich dem Tod auf den sie vorbereitet war, ohne Hass oder Furcht hinzugeben. Es schien ihm sogar, als ob sie sich darüber freuen würde, dass das Schicksal ihn als ihr Henker ausgesucht hatte.

Er zögerte.

Wie sie war auch er von seiner eigenen Reaktion überrascht, als er, anstatt die von ihm gezüchteten tödlichen Energien loszulassen, sich dazu entschied, seine Hand auf ihre Stirn zu legen. Die andere Hand griff instinktiv nach seinem Schwert, aber es schien, als ob er nicht zuschlagen wollte. Alter Spinner, beschimpfte er sich selbst, als er durch die Stimme eines geschöpften Geistes einen Zauber entlies, den er für sich selbst gedacht hatte, falls es eines Tages schlecht für ihn ausgehen sollte.

Eine Zeit lang erstrahlte der Körper der Kriegerin in blauen Wirbeln, dann beruhigte sich plötzlich ihr Atem. Sie sah ihn nun überrascht und neugierig an. Es gab etwas anderes in ihrem Blick. Er beugte sich über sie, um dieses gewisse Etwas besser sehen zu können. Dies war zumindest der Grund, den er sich selbst eingestand.

Keiner von den beiden hörte den Bogen knallen, als sich ihre Lippen leicht berührten.

Es war derselbe Pfeil, der ihre beiden Herzen durchbohrte.