GOA-Texte:Die letzte Ratsversammlung der Stämme

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Ein bleicher Halbmond erleuchtete die Wälder von Gotar und warf die Schatten der großen Bäume wie tiefe Schnittwunden über den nächtlichen Boden. Hier und dort bahnten sich unauffällige kleine Gruppen heimlich und lautlos von einem Schatten zum nächsten ihren Weg. Kein einziger Zweig brach unter den vielen schnellen Füßen. Mehr kamen, und immer mehr, alle zu einem gemeinsamen Ziel unterwegs, einem Felshügel, der von vielen Fackeln beleuchtet wurde.

  • Schnell, schnell, wir müssen beeilen, wir dürfen große Ratsversammlung nicht verpassen !

Eine ganze Horde von Kobolden schwärmte über die nackten Felsen der Hügelkuppe. Zwar hörte man hier und dort das unvermeidliche Gelächter, Gezanke und Gerangel, doch fast alle Stammesabgesandten verhielten sich für Kobolde ungewöhnlich ruhig. Die meisten lauschten fasziniert und gebannt der wichtigen Diskussion, die unter einem alten, verwachsenen Baum in einem Kreis aus flackernden und knisternden Fackeln stattfand. Eine sehr alte Matriarchin, die aufgrund der Zahl ihrer Nachkommen und der Größe ihres Clans hochgeachtet war, sprach :

  • Priester sind förmlich, Schamanen werden bestätigen, Runen haben Zeichen offenbart, Vorfahren haben gesprochen, Große Göttin wird kommen. Alle kennen Prophezeiungen, Krieg wird kommen ! Rosagesichter und laufende Felsen bilden große Armeen, unmöglich für Kobolde, und neue Feinde kommen ! Schreckliche Menschen in Eisen ! Furchterregende Zauberer ! Was soll aus Kobolden werden ?

Eine noch ältere Frau, deren Gesicht von den Jahren entstellt war, jedoch noch ein kraftvolles Funkeln in den klaren Augen besaß, antwortete ihr :

  • Wir tun, was wir tun müssen. Zeit der einzelnen Stämme ist vorbei, Midgard ist Koboldland, Kobolde müssen verteidigen, aber alleine ist nicht möglich. Wir sagen, Stämme existieren nicht mehr, Kobolde müssen fort, Kobolde gehen zu Langbeinstadt.

Mit einer weitausholenden Geste, die sich präzise an die alten Koboldriten hielt, befreite sie ihre Nachkommen von ihren Verpflichtungen. Dann erhob sie sich, um nach Fort Atla zu gehen, der nächstgelegenen Menschenstadt, welche die Kobolde erst vor kurzem mit Hilfe ihrer neuen Verbündeten, der Trolle, befestigt hatten. Ein junges Koboldmädchen stellte sich ihr mit hasserfülltem Blick in den Weg. Hinter ihr rottete sich eine Gruppe weiterer, durchweg blau gekleideter Kobolde zusammen, so dass die Matriarchin nicht vorbeigehen konnte.

  • Unmöglich ! Das wäre schreckliche Dekadenz für Kobolde ! Wir werden nicht so tief sinken ! Kobolde sind stark genug, um alleine zu herrschen ! Rosagesichter und Dicksteine werden Sklaven der Kobolde, müssen gegen Feinde der Kobolde kämpfen ! So soll es sein, das ist der Wille von 'Ihr wisst schon wem' !
  • Tss tss tss, Schwester Samstag sieht mit jedem Tag jünger aus. Schade, dass Ideen von Schwester auch immer jünger werden. Schade, dass junge Kobolde Ideen aufgreifen. Das bringt mehr Schlechtes als Gutes für Kobolde. Falsche Entscheidung von 'Ihr wisst schon wem'. Wir werden Meinung nicht ändern.

Sanft, aber mit erstaunlicher Kraft und Entschlossenheit schob die alte Koboldmatriarchin Samstag beiseite und ging unter den hasserfüllten und verächtlichen Blicken der blaugekleideten Kobolde ihres Weges, gefolgt vom Rest der Ratsversammlung. Viele der anwesenden Kobolde folgten dem Rat, andere standen in kleinen Gruppen beisammen und berieten sich flüsternd. Der Rest kümmerte sich in seiner üblichen leichtlebigen Art um nichts und verschwand einfach in der Nacht.

Als die letzten Fackeln erloschen, waren nur noch Samstag und ihre Freunde übrig, zusammen mit einigen frisch überzeugten Anhängern und dem einen oder anderen heimlichen Lauscher im Schatten. Letztere erzählten später ihre Version der Ereignisse jedem, der zuhören mochte. Drei verschiedene Fassungen waren am meisten verbreitet. Die erste berichtete von einem schrecklichen Ritual und einem Gespräch zwischen 'Ihr wisst schon wem' und Samstag. In der zweiten Version kamen merkwürdig gekleidete Trolle und schworen Samstag die Treue. Als sie wieder gingen, trug jeder einen Kobold auf seinen Schultern. Die dritte Geschichte schließlich erzählte von Jägern, die mit gefangenen Menschen und Zwergen zurückkamen, und einem riesigen Bankett, bei dem die Opfer aufgefressen wurden, wobei Samstag nur ihre Herzen verspeiste.