GOA-Texte:Lykillbjörg

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An ihrem Gürtel klimpert ein großer Schlüsselbund. Es sind alte Schlüssel, dessen Metall an mehreren Stellen durchs Schleifen auf dem Metall uralter Schlösser poliert wurde, wenn sie beim Öffnen in ihnen gedreht wurden. Zumindest öffneten sie diese Schlösser einst.

Jedesmal, wenn ihr rechter Fuß den Boden berührt, hält das Klappern die beständig an ihr nagenden Gedanken aufrecht. In ihr brennt noch die Erinnerung an diesen schicksalsträchtigen Tag, als sie noch eine junge Braut war und ihre Mutter und Schwiegermutter diese Schlüssel von ihren eigenen Schlüsselbunden entfernten um sie ihr zu übergeben, während armselige Thralls die alten Truhen mit ihren schweren Eisenbeschlägen in dieses Haus trugen, in ihr Haus trugen, welches Eyhvatr mit seinen eigenen Händen erbaut hatte. Wie gut könnten diese Hände jetzt die Träne wegwischen, die vom Ende ihrer Wimpern perlt. Schnell streift sie diese mit dem Hemdsärmel ab, damit niemand etwas bemerkt.

Jedesmal, wenn ihr linker Fuß im Schnee verschwindet, schlägt ihr schweres Schild gegen die Schwertscheide. Vorher hing es im Gemeinschaftssaal und unter ihm kreuzten sich die Familienschwerter. Eyhvatr hatte dort manchmal seine Freunde empfangen, seine Waffenbrüder, wie er sie nannte. Sie hatte sich dann immer bemüht, diese würdig zu empfangen, um ihm Ehre zu verschaffen. Der Krieg war bereits in vollem Gange und sie hatte alle Hände voll zu tun, um während seiner Abwesenheit ihr kleines Grundstück zu bestellen. Oh, wie nichtig ihr nun ihre damaligen Sorgen vorkommen ! Manchmal, wenn die Waffenbrüder vorbeikamen, um einen Blot zu feiern, kam es vor, dass der eine oder andere fehlte. Und so pries man bei den Skoals die Tüchtigkeit des Verstorbenen, denn sie fielen immer als tapfere Krieger. Manchmal kam er mit einer frischen Narbe wieder, aber sein Lächeln, wenn sie endlich wieder zu zweit waren und er von seinen Abenteuern erzählte, dieses Lächeln wusste alle Besorgnis auszulöschen.

Sie erinnert sich an die Niedergeschlagenheit seiner Freunde, als sie an besagtem Abend kamen. Als sie ihr die Nachricht überbrachten, blieb sie würdevoll. Sie hatte sehr wohl den Respekt in ihren Augen gelesen, aber innerlich hatte sie seitdem nicht zu schreien aufgehört. Natürlich wusste sie, dass ähnliches passieren konnte, aber niemals hätte sie gedacht, dass die Nornen so ungerecht sein könnten. Die Nacht hatte sie damit verbracht, dieses Schild zu flicken, dessen Gewicht zu tragen ihr Arm jetzt gelernt hatte, und als der Morgen erwachte waren ihre Tränen versiegt. Sie teilte ihr Land unter ihren Thralls auf, wobei jeder einen Teil erhielt, der seiner Ergebenheit gleichkam, so dass sie zu freien Männern wurden. Die Schlüssel knarrten ein letztes Mal in den Schlössern. Sie nahm nur das strikte Minimum an sich, bevor sie fortging und die Bondis sich um den Inhalt der alten Truhen streiten ließ.

Jetzt marschiert sie mit ihnen. Sie weiß, dass sie sich noch bewähren muss und dass ihr Platz in der Gruppe noch nicht gesichert ist. Aber an jenem Morgen hatte sie sich durchzusetzen gewusst. Während sie einen auf den Fußboden gezeichneten Schlachtplan studierten, marschierte sie entschlossen auf sie zu, ohne sich am schweren Kettenhemd zu stören, welches auf ihre Schultern drückte. Es war noch Sommer und die Sonne, die einfach nicht untergehen wollte, warf ihre Strahlen auf alles, was über den Horizont hinausragte. Die kalte Entschlossenheit auf ihrem Gesicht stand in starkem Kontrast mit den tausend Funken, die von ihrer Rüstung strahlten. Diese war bis dato sorgfältig gepflegt und aufbewahrt worden, so dass all die stolzen Krieger ihr gegenüber vor Überraschung wie gelähmt waren. Sie legte ihr Schild auf dem Boden ab und zog die Familienschwerter aus der Scheide, um sie über ihrem Kopf zu kreuzen, wodurch ein riesiger Schatten bis hin zur Gruppe der verblüfften Kämpfer geworfen wurde. Dann schwor sie, nicht zu ruhen, bevor sie nicht mit diesen Klingen ihren Clan gerächt habe, mit oder ohne die Hilfe der alten Kameraden ihres Geliebten.

Um sie herum gesellt sich weiteres Rasseln zum ihren hinzu, während die bewaffnete Gruppe trotz der Härte des nordischen Winters guten Schrittes auf sie zukommt. Schon sind sie im sich hebenden Nebel verschwunden und während das Geräusch ihrer Schritte nach und nach vom alles bedeckenden Schnee verschluckt wird, hört man nichts anderes mehr als das Klimpern ihrer nun unnützen Schlüssel, ohne sagen zu können, woher es kommt...

Der Tradition nach sind die Aufgaben eines Nordmannpaares folgendermaßen verteilt : Der Mann kümmert sich um Kriegsdinge, anfallende Arbeiten und alles, was mit dem Rechtswesen zu tun hat, während die Frau sich um die Erziehung der Kinder und die Besitzverwaltung kümmert. Aus diesem Grund tragen sie an ihrem Gürtel alle Schlüssel des Grundstücks, deren Anzahl häufig dessen Größe und somit den Reichtum der Familie widerspiegelt. Seitdem aber der Krieg bis an die Tore Midgards vorgedrungen ist, sind diese Rollen gezwungenermaßen verschoben und immer häufiger müssen auch die Frauen zu den Waffen greifen.

Die Familienschwerter sind Prunkstücke, die häufig zu stark verziert und zu alt sind, als dass sie für Kämpfe dienen könnten. Sie werden traditionell bei einer Hochzeit mit den Ringen getauscht und symbolisieren die Verbindung zweier Familiengeschlechter.

Die Nornen sind Schicksalsgötter, die, egal ob Gott oder Mensch, über das Schicksal eines Jeden bestimmen. Die Nordmänner glauben, dass alles vorherbestimmt ist. Was zufällig erscheint, geschieht in Wirklichkeit nach dem willen der Nornen. Hieraus lässt sich ihr großes Interesse an der Weissagung erklären, vom Lesen der Runen bis hin zur Interpretation von Omen.

Die Thralls sind die Leibeigenen einer Familie. Da sie ihr angehören, werden sie gut behandelt, man achtet darauf, dass sie ordentliches Essen, Kleidung und einen Schlafplatz bekommen. Nicht selten bekommen sie, wenn sie sich dessen würdig gezeigt haben, ein Stück Land von ihrem Herren geschenkt, so dass sie zu freien Männern werden (Bondis) und als echtes Mitglied in die Gemeinde aufgenommen werden.

Der Blot ist eine rituelle Opfergabe eines Tieres an einen Gott, bei welchem das dargebrachte Fleisch, nachdem es in seinem eigenen Blut gekocht wurde, von den Gästen verzehrt wird. Bei dieser Gelegenheit werden Skoals ausgesprochen. Dies sind Wünsche und weihevolle Verpflichtungen, welche mit einem Trankopfer einhergehen.