GOA-Texte:Wie es am Hof zugeht

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Dies ist ein offizieller Text, der von GOA veröffentlicht wurde.
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"Komm hier her ! Setz dich zu mir und halte vor allem deinen Mund. Den Kopf schön erhoben... genau, so ist's gut. Schau die Leute nicht so an, du machst mir ja Schande ! Nein ! Du sollst dich so wie ein Möbelstück verhalten... ah, hätte ich das gewusst, hätte ich dich nie mitgebracht ! Wenn wegen dir mein Vorsprechen beim König schief läuft, wirst du dafür mit hundert Stockschlägen büßen !"


Ich war nichts weiter als ein junger Page, der nur wenig von den Dingen am Hofe verstand. Mein Meister und ich sind vorgeladen worden, ohne dass ich den Grund dafür kannte. Wir haben tausend Mal alle Gesten eingeübt, wie ich mich verbeugen sollte, wann und vor wem. Auch wen ich ignorieren sollte, und vor allem, dass ich niemals freundschaftlich wirken sollte. Man muss Größe zeigen, um ernst genommen zu werden.


"Dort ist der Herzog, begrüße ihn so, wie es sich gehört, wenn er in deine Nähe tritt ! Ja, genau so, so ist es fein ! Vielleicht hast du dir sogar heute fürs Abendbrot ein wenig Fleisch verdient."


Und so warteten wir inmitten anderer. Und obwohl wir uns in diesem Moment nah waren, blieb man doch von den anderen fern. Vor uns war ein Bauer von schon beträchtlichem Alter. Er präsentierte dem König sein schönstes Gemüse, das er mit größter Schwierigkeit der Erde abgerungen hatte. So hoffte er, bemerkt zu werden und einen Dank zu erhalten. Sicherlich fühlte er den Tod schon kommen, denn wenige Tage später verschied er... und obwohl er seit acht Tagen jeden Tag hierher gekommen war, wurde er nie erhört.


"Immer nur Kämpfer ! Wann wird der König endlich auch Gelehrte anhören wollen ? Kriegsdinge sollte man nicht diesen Leuten anvertrauen, denn sie kennen nur Blut und Gewalt !"


Die Stunden vergingen, und ich sah zu viele Leute an mir vorbeiziehen, als dass ich mich an alle erinnern könnte. Einige Männer aus gutem Haue waren in der Hoffnung gekommen, dass man ihnen eine Frau von noblem Blut versprechen würde ; einige Barone erzählten von ihren Taten mit dem geheimen Wunsch, zum Grafen ernannt zu werden. Und dann waren da noch die, die nur zum Schauen gekommen waren. Sie hoffen, dass der Herrscher wütend wird, um dann über die armen Leute zu lachen, die den Wutausbruch über sich ergehen lassen müssen. Ein Mann von ungefähr vierzig Jahren fiel mir besonders auf, da er vom Leben und mit sich herumgetragenen Geheimnissen müde aussah. Er war gekommen, um sich selbst eines vor mehreren Jahren begangenen Mordes anzuklagen. Er wollte verurteilt werden, um diese Schuld zu büßen, die ihn jede Nacht marterte. Er wollte keine Milde, er wollte sein gerechtes Urteil... seine Stimme, seine Worte, hallten so stark in mir wieder, dass ich nicht anders konnte, als den König lautlos anzuflehen, seiner Bitte statt zu geben. Mein Meister war keineswegs meiner Meinung, was unschwer an seinem wütenden Gesicht zu erkennen war.


"Du wirst niemals ein..."


Später kam ich dann viele Male erneut hierhin zurück, um wieder und wieder die Leute vorsprechen zu sehen. Ich war nur ein junger Page, dessen einziger Wunsch es war, Schriftgelehrter zu werden. So wurde ich Zuschauer an diesem Hof, an dem sich ein anderes Gesicht unseres Reiches zeigt, an dem sich die Menschen ohne Unterschied von Rang und Stand auf gleiche Weise ihrem König präsentieren.


Die Manege des Hofes macht auf gewisse Weise alle Leute gleich. Alle kommen mit ihren Beschwerden und gehen mit der Antwort des Königs wieder heim. Bauern, Adelige, Soldaten offenbaren dem König ohne jegliche Scham ihr Leben, ihren Kummer und ihre Hoffnungen. An den Antworten und Ratschlägen des Königs erkennt man, ob er ein guter Herrscher ist.


Viele sprechen von Konstantin als einen schlechten König, aber diese kennen ihn nicht. Als ich als junger Page von ihm eingeladen wurde, mich mit ihm zu unterhalten, hatte ich mir ausgemalt, den wichtigsten Moment meines Lebens zu leben. Aber ich hätte niemals gedacht...


Norcross, Waffenmeister des Königs.